Bibliografie in deutscher Sprache:
- Geschichten aus Chicago und Hollywood, Wolke Verlag, 1989
- Revolution in der Teekanne, Wolke Verlag, 1989
- 1001 Nachmittage in New York, insel tb 1323, 1992 mit Zeichnungen von George Grosz
Ben Hecht* über die Revolution in Bayern 1919
Ich wohnte
einem weit größeren Ereignis bei, das bei mir einen dauerhaften
Zynismus gegenüber der Geschichte hinterlassen sollte. Das war die
bayerische Revolution im April 1919 und der kurzzeitige Sturz Münchens
in einen kommunistischen Staat. Ich war außerstande, alles darüber
in die Zeitung zu bringen. Meine Herausgeber strichen oft aus meinen telegrafierten
Berichten über die Revolution das, auf dem ich als Wahrheit beharrte.
Ich berichte diese Wahrheit jetzt, eine Generation nach diesem Ereignis,
wobei ich mir bewußt bin, daß es keine "Erstmeldung"
mehr ist. Aber es ist immer noch eine aktuelle Geschichte. 1953 ist das
Werben der Amerikaner um die Deutschen als Bollwerk gegen den Kommunismus
ebenso stark wie es 1919 war. (...)
"Können
Sie mir eine Schätzung geben, wie viele beim heutigen Kampf getötet
und verwundet worden sind?" fragte ich.
"Meines Wissens ist keiner verletzt," sagte Toller. Er seufzte.
"Gott sei Dank. Wir wollen hoffen, daß es so weitergeht. Eine
Revolution, bei der keiner verletzt wird." Er lächelte. "Das
ist eine sehr gute Story, nicht wahr?"
Ich schrieb einen vollständigen Bericht über die Ereignisse des Tages, um ihn nach Chicago zu telegrafieren. Er enthielt alle Fakten über die Berg-Beszmertnij- Ankunft, die eingeschmuggelte Million und das Scheingefecht bei der Eroberung Münchens. Er erläuterte den Zweck der Revolution und profezeite, daß die deutschen Militaristen, sobald sie die Alliierten so weit erschreckt hatten, daß diese die Erweiterung der deutschen Armee zuließen, die Revolution wegräumen würden, wie man die Kulissen von einer Bühne räumt. Ich schrieb, daß die Arbeiter, die an der Revolution teilnahmen, keine Ahnung von diesen dunklen Mächten hatten, die an den Fäden zogen; sie seien Ehrenmänner, die Amok liefen. Die wirkliche Macht Deutschlands würde zur geeigneten Zeit ihre Stimme erheben und sie alle dahin zurückstellen, wo sie hingehörten.
Das war eine von vielen Stories, die von meinen Herausgebern gestrichen wurden. (...)
aus: Ben Hecht · Revolution in der Teekanne · Wolke Verlag · 1989
* Ben Hecht, US-amerikanischer Journalist und Autor von meist sozialkritischen Kurzgeschichten lebte von 1894 bis 1964